Ingo MARGRAF ist „Pfleger Lustig“ – Humor im Altenheim kommt prima an
Sozialdezernent Dr. Kavai entdeckte das Talent Ingo Margraf bei einer Hospitation in der Altenpflege.
09.01.10 – Region – Ingo Margraf ist 30 Jahre alt und examinierter Altenpfleger, Soul-Sänger und Comedy-Entertainer und befand sich mitten in einer Erzieher-Ausbildung, als er mit 17 Jahren ein Praktikum in einem Altenheim machte. Für Ingo Margraf wurde die Berufung zum Beruf. Weil er die Menschen mag und eine besondere Leidenschaft in der Vermittlung von Humor und Musik besitzt, hat er parallel auch seine Fähigkeiten als Soul-Sänger und Comedy-Entertainer weiterentwickelt und durch eine Vielzahl von Auftritten professionalisiert. Animiert zu einer Verbindung seiner Leidenschaften hat ihn dann Dr. André Kavai. Der hauptamtliche Kreisbeigeordnete des Main-Kinzig-Kreises wollte sich als Aufsichtsratschef des größten kommunalen Pflegeunternehmens in Hessen seinen eigenen Eindruck von der Arbeit in der Altenpflege machen und begleitete den Altenpfleger Ingo Margraf einen Tag bei der Ausübung seines Berufes. Aus den Gesprächen und Erfahrungen entwickelten sich Ideen und Gedanken. Und über den Ansatz eines „Klinik-Clowns“ entwickelte der Altenpfleger Ingo Margraf das Konzept von „Pfleger Lustig“.
Zumeist im Clownskostüm – mit Latzhose, Fliege, roter Nase, Hut und Tröte – bringt der ehemalige Altenpfleger heute regelmäßig Spaß und Humor in die zurzeit sechs Häuser der Alten- und Pflegezentren des Main-Kinzig-Kreises. Für das kreiseigene Unternehmen anfangs ein Abenteuer, bald aber ein äußerst erfolgreicher „Selbstläufer“. Ingo Margraf hat längst seine Leidenschaften zum Beruf gemacht und ist in der Branche der Soul-Sänger und Comedy-Entertainer sehr gefragt. Jetzt aber ist er auch wöchentlich als Pfleger Lustig unterwegs. Allein in der Zusammenarbeit mit den Pflegeheimen im Main-Kinzig-Kreis besucht er pro Woche drei Häuser. Dazu gehören das Wohnstift Hanau, das Altenzentrum Rodenbach, das Seniorenzentrum Gründau, das Kreisruheheim Gelnhausen, das Seniorenzentrum Biebergemünd und das Seniorenzentrum Steinau. Solche Tage werden dann ganz schön lange. Hier ein Beispiel, von dem Ingo Margraf berichtet:
Ankunft 10:00 Uhr im Pflegebereich des Seniorenheims Steinau. Zu dieser Zeit ist gerade der Kollege der Physiotherapie mitten im Gruppenraum mit zehn Bewohnern beschäftigt. Dies führt dazu, dass „Pfleger Lustig“ im kompletten Clowns Outfit an der Gruppe vorbeizieht und somit alle Beteiligten zu einem großen Lachen während der Bewegungsübungen bewegt. Der Physiotherapeut unterlegt diesen Moment mit den Worten: „Ja, der „Pfleger Lustig“, der ist klasse!?“ Um die Gruppenarbeit nicht zu stören, beschließt der Clown eine „Visite“ von Zimmer zu Zimmer. Hierbei trifft er auf viele überraschte Gesichter bei Bewohnern und Pflegekräften. Gerade im Frühdienst sind einige Kolleginnen im Einsatz, die den „Pfleger Lustig“ zuvor noch nicht getroffen haben. Er gibt den Mitarbeitern einige kurze Informationen zu seiner Arbeit und klärt gleichzeitig ab, welche Bewohner nicht einfach zu betreuen sind und wo möglicherweise der Besuch des Clowns besonders wichtig oder interessant sein wird.
Das erweist sich als sinnvoll und hilfreich und führt während der Zimmervisite unter anderem dazu, dass dementielle und schwerst depressive Bewohnerinnen unter Aufsicht und Anleitung von „Pfleger Lustig“ ihr Bett selbst machen. Für die Pflegekräfte – aber auch selbst für ihn – ist das ein positives Ergebnis seiner Arbeit und an diesem Morgen das Highlight für das ganze Haus. Später trägt „Pfleger Lustig“ beim Einsatz in zwei Gruppenräumen Reime, Gedichte und neue „Trinksprüche“ vor. Diese dienen insbesondere zur Vorbeugung einer Austrocknung mangels Flüssigkeit und finden großes Interesse bei den Mitarbeitern für die tägliche Arbeit. Bei der Gabe von Getränken während der Zimmervisiten trägt er persönlich in die Protokolle ein, was die Bewohner getrunken haben. Für Ingo Margraf zählt diese Maßnahme als „zur Hand gehen“ und Unterstützung für den Pflegedienst – ähnlich wie das Thema „Bett machen“ einen durchaus therapeutischen Wert mit sich bringt.
Ab ca. 15:30 Uhr folgt die Gruppenarbeit in der Spessart Gruppe (Demenzbereich) in Biebergemünd. Das Thema dort: „Mei Fraa hat mer en 3 kg Kardoffelsalad gemocht un isch hawen alla ge (fr) gesse, jetz isse bees uff misch! Was mache mern jetz??“ (das ist hessisch und bedeutet übersetzt: „Meine Frau hat einen 3 kg Kartoffelsalat für mich gemacht und ich habe ihn komplett aufgegessen. Jetzt ist sie böse auf mich. Was mache ich jetzt??“). Die Lösungsvorschläge der Bewohner zu dem „Ehestreit“ wegen des Kartoffelsalates sind äußerst kreativ und reichen von Ratschlägen wie „Blumen kaufen für meine Frau Gerda“ bis zum „selbst Kochen für Gerda“. Erstes Gebot des Clown-Konzepts: Gemeinsam Lachen über eine hessische (Ehe-) Geschichte wie sie tatsächlich hätte passieren können. Aber: nicht auslachen!
In Gelnhausen nimmt „Pfleger Lustig“ am Oktoberfest der Einrichtung teil. So begleitet „Pfleger Lustig“ das Rahmenprogramm mit Tanzgruppen und Live Musik mit seinen Reimen. Sein Ziel: Jeder Mensch im Saal soll einmal persönlich erreicht werden. Es folgt eine Zimmer-Visite für jene Menschen, die nicht an dem Fest teilnehmen oder teilnehmen können. Dabei rührt ihn besonders ein älterer Bewohner, der aufgrund einer schweren Depression nicht in der Lage scheint, sein Zimmer verlassen zu können. Jedoch ist er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. „Pfleger Lustig“ gelang es, ihm ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. „Ein guter und kreativer Tag – wie „Pfleger Lustig“ meint. Auf dem Nachhauseweg philosophiert er: „Liebe Dich selbst, liebe die Menschen und Du wirst zu Reinhold Messner: aus Bergen werden Hügel!“
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